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Eingabe an die Stadtverwaltung zur Berücksichtigung im städtebaulichen Vertrag mit der IGEWO (18. Februar 2002)

Sehr geehrte Damen und Herren,

bei der Vorstellung des Bebauungsplanes der Ganghofer Siedlung durch Sie wurde erklärt - wie schon mehrmals im vergangenen Jahr -, dass ein städtebaulicher Vertrag abgeschlossen sei, in welchem man den Mieterschutz verankert habe. Hierbei handelt es sich offensichtlich um eine Ente, welche nachfolgende Überlegungen notwendig macht:

Eine neue Form der Konsensbildung, partnerschaftliche Kooperation und neues Politikverständnis erfordern Veränderungen im Bewusstsein der Menschen. Die Nachhaltigkeit eines Plans ist nur dann zu gewährleisten, wenn sie als zukunftsorientierte Planung den betroffenen Menschen einbindet.

In Regensburg ist der Begriff Bewohnerbeteiligung im Planungsprozess offensichtlich noch unbekannt. Ansonsten wäre in der Ganghofer-Siedlung nicht auf die dort praktizierte Art und Weise geplant worden. Das Auftreten manches Politikers in diesem Zusammenhang zeigt, wie wichtig obige grundsätzliche Ausführungen sind. Hier, in der Ganghofer-Siedlung, wäre es möglich gewesen, differenzierte Beteiligungs- und Mitwirkungsmodelle anzuwenden.

Gerade vor dem Hintergrund knapper Budgets und einem schwächelnden Wirtschaftswachstum erscheint eine planerische Einbindung der Betroffenen langfristig als der solidere Weg. Gerade hier hätte man die Bürgerbeteiligung nach Baugesetzbuch zu einer Nutzerbeteiligung umsetzen können, die nicht lediglich zu einem Nachbesserungsinstrument für Planungsfehler verkommt. Die Erfahrungen der Mietervereine in Frankfurt, Berlin oder Hamburg zeigen, dass Mieter- und Bewohnerbeteiligungen oft gegen den Widerstand der Behörde geführt werden mussten. Der seit 1970 in der Bundesrepublik eingeführte Begriff "Mieterbeirat" zeigt schon in der Wortkonstruktion die politisch gewollte Bedeutungslosigkeit der Mietervertretung. Eine Organisation der betroffenen Bewohner ist nur dann sinnvoll, wenn diese grundsätzlich konfliktfähig und unabhängig ist. Ziel müsste es sein, die Mitwirkung und Selbstgestaltungsrechte der Bewohner in einem Verein zu kanalisieren und/oder so genannte Wohnvereine oder ähnliches zu begründen, welche entsprechend betreut werden (z.B. Verwaltungsgenossenschaft Falkenried; Schuhmacher-Siedlung in Hamburg etc.).

Das Hauptproblem bei der Analyse der kommunalen politischen Praxis zeigt sich in den langen Fristen, in denen die Projekte realisiert werden, und noch mehr in der langen Zeit, die dann notwendig ist, ihre Auswirkungen zu bewerten. Was heute realisiert wird, ist zum Teil vor Jahrzehnten entschieden worden. Es besteht immer wieder die Gefahr, dass wir die Auswirkungen als neue Phänomene betrachten, während sie doch nur Folge einer Planung sind, die durch die Entwicklung überholt ist. Daten wissenschaftlicher Untersuchungen, die einige Jahre alt sind, werden täglich durch neue Erkenntnisse widerlegt oder korrigiert.

Wenn man also möglichst objektiv die Phase beschreibt, in die man eintritt, so muss gleichzeitig die Phase oder Zeit als abgeschlossen betrachtet werden, welche man tatsächlich verlässt. Insofern erscheinen uns sowohl die Vorgehensweise des Denkmalschutzes, als auch die insgeheimen Planungen berechtigterweise geeignet, um Misstrauen und Ängste der Bewohner in der Ganghofer-Siedlung zu verstärken.

So werden unter dem Stichwort "bundesweit einmalig" oder "bundesweit Vorreiter" folgende Erklärungen abgegeben: "Der in diesem Vertrag vereinbarte Mieterschutz kommt allen Mietern zugute und muss nicht erst mit allen Unabwägbarkeiten vor Gericht erkämpft werden."

Solche gebetsmühlenartig wiederholten Äußerungen sind wenig geeignet, den Interessen der Mieter in der Ganghofer-Siedlung zu helfen. Offensichtlich ist der hiesigen Presse nicht bekannt, dass der von gewissen Kreisen geforderte Mieterschutz im Baugesetz ohnehin in dieser Form verankert ist. Beängstigend ist es auch gerade deshalb, weil die weitere Forderung einer Mietspiegelmiete sehr wohl auslegungs- und vereinbarungsbedürftig ist. Insofern lehnen wir es ab, diesbezüglich eine endlose Diskussion zu führen. Von anderer Seite scheint nicht nur die ortsübliche Miete höher angesetzt zu werden, sondern es ist auch die Kündigung wegen der geplanten Modernisierung ins Auge gefasst worden.

Folgende Bedingungen müssen zugunsten der Mieter in der Ganghofer-Siedlung erfüllt sein:

  1. Auf eine Kündigung wegen Sanierung und Abbruch wird verzichtet. Die Anwendung von § 182 BauGB wird ausgeschlossen.
  2. Die Miethöhe für modernisierten Wohnraum und für die neu zu errichtenden Anbauten wird vor Sanierungsbeginn festgelegt.
  3. Den Mietern wird ein schuldrechtliches Vorkaufrecht eingeräumt, für den Kauf von Einfamilienhäusern sowie Mietwohnungen, welche gegebenenfalls in Wohneigentum umgewandelt werden. Die Kaufpreise sind betragsmäßig festzulegen. Näheres müsste in Gespräche mit der IGEWO diskutiert werden.
  4. Mieter, die aus gesundheitlichen Gründen, altersbedingt oder auch aufgrund der Einkommenssituation die Maßnahme ablehnen, werden von den Maßnahmen unberührt.
  5. Die Möglichkeit von Mietpreiserhöhungen wird unter der gesetzlich zulässigen Obergrenze vereinbart, sodass sie deutlich unter der 20%-Grenze bleibt.
  6. Die Bereitschaft von Mietern, durch Umzugsbereitschaft die Modernisierung zu unterstützen, wird als Baukostenzuschuss seitens der Mieter betrachtet um die Mieter vor unangenehmen Überraschungen in der Zukunft zu schützen. Ein entsprechender Entwurf einer solchen Vereinbarung ist in der Anlage beigefügt. Verhandelbar sind die Zeitdauer und die in der Vereinbarung genannten 1-Beträge.

Wir hoffen, dass diese Ausführungen Ihr Gehör finden und überlassen gleichzeitig eine Liste von Wohn- und Sanierungsprojekten, welche keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, die für Interessierte Beachtung fanden und noch finden. Selbstverständlich handelt es sich dabei um Projekte aller Größenordnungen, von einzelnen größeren Mehrfamilienhäusern bis hin zu großen Stadtteilen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Willibald Bauer
Mieterverein Regensburg

(aus: Mieterzeitung Nr. 19/2003)

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